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Interview mit dem Saxophonist
wolfgangschulz

Das Interview aus dem Januar 2021 mit Wolfgang Schulz wurde im Gemeindebrief Februar/März 2021 veröffentlicht. 

Redaktionsteam (R.):

Lieber Wolfgang, Du bist dem Posaunenchor vor knapp zwei Jahren als 50-Jähriger beigetreten. Wie kam es dazu?

Wolfgang Schulz (W.S.): Meine Lebensgefährtin las im Gemeindebrief einen Artikel, in dem Jugendlichen mit und ohne musikalischen Vorkenntnissen die Möglichkeit geboten wurde, ein Instrument zu erlernen oder die bereits erworbenen Kenntnisse zu vertiefen. Auch ältere Personen wurden aufgerufen, im Posaunenchor mitzuspielen. Zu der Zeit hatte ich schon drei Jahre im Selbststudium Tenorsaxophon gespielt, allerdings ohne nennenswerte Notenkenntnisse. Der damalige Chorleiter Uwe Henkel machte mich daraufhin vor den Chorproben in kurzer Zeit fit für den Posaunenchor.

R.: In einem Onlinegottesdienst mit Pfarrer Wilhelm hast Du zu Ostern das Lied „Hymn“ von Barclay James Harvest gesungen und dazu Gitarre gespielt, wodurch deutlich wurde, dass dein musikalisches Interesse und Können nicht nur auf das Musizieren im Posaunenchor beschränkt ist.

W.S.: Das stimmt. Schon im Grundschulalter habe ich immer dem Quelle-Katalog entgegengefiebert, um die neusten Heimorgeln betrachten zu können. Leider war in meiner Kindheit Musikunterricht nicht realisierbar und ein Schulorchester gab es auch nicht. Zu meiner Erstkommunion bekam ich eine Gitarre von meinem Patenonkel und einen Grundkurs bei der Volkshochschule geschenkt. Im Selbststudium habe ich das Erlernte dann weiterentwickelt. Mit meiner ersten eigenen Wohnung habe ich mir schließlich den Wunsch nach einer Heimorgel erfüllt und auch diese im Rahmen meiner Möglichkeiten selbst erlernt. Das Ergebnis waren mehr als 25 Jahre als Alleinunterhalter und die Mitgliedschaft in verschiedenen Bands, in denen ich mich hauptsächlich mit dem Gesang und meinem bescheidenen Können am Keyboard beschäftigte. Nachdem ich wegen Schwierigkeiten mit dem Gesang die öffentlichen Auftritte aufgab, habe ich beim Posaunenchor eine neue und erfüllende Aufgabe gefunden, bei der ich bislang viel Unterstützung erfahren habe. Wie das Video von Ostern zeigt, ist auch der Gesang wieder im kleinen Rahmen möglich.

R.: Worin unterscheidet sich für Dich persönlich das individuelle Musizieren am deutlichsten von dem in einer Gruppe wie dem Posaunenchor?

W.S.: Das Musizieren in der Gruppe macht mir mehr Spaß, weil man sein Interesse und seine Leidenschaft teilen kann. Der größte Unterschied für mich ist, dass die Musik in der Band durch einen klaren und dominanten Rhythmus geprägt war, sowohl handgespielt als auch elektronisch. Im Posaunenchor ist hingegen die Herausforderung, dass man sich an die Vorgaben der Noten und auch an den Dirigenten halten muss, wodurch ein hohes Maß an Disziplin gefordert wird. Eine zweite Herausforderung ist, dass man gut auf die Mitmusiker hören und sich in die Harmonie des Musikstückes integrieren muss, wodurch ein enormes Zusammengehörigkeitsgefühl entsteht.

R.: Wie bereitest Du Dich auf die Proben und Auftritte des Posaunenchores vor und wie viel Zeit wendest Du dafür ungefähr wöchentlich auf?

W.S.: Mit dem Saxophon übe ich drei bis fünf Stunden pro Woche. Durch moderne elektronische Helferlein, wie zum Beispiel eine Handy-App, mit der man Notenlesen erlernen und trainieren kann, oder mein elektronisches Saxophon, das wie ein Keyboard funktioniert, jedoch die Klappen eines Saxophons besitzt, und dessen Tonerzeugung durch Hineinblasen aktiviert wird, vervielfacht sich meine Übungszeit. Wartezeiten beim Arzt, Bahnfahrten und sogar Werbepausen im Fernsehprogramm nutze ich zum Üben und das Ganze, ohne Personen im Umfeld zu stören – dank Kopfhörer. Mein Favorit ist allerdings mein Notensatzprogramm: Durch Abschreiben und Eingabe in den Computer vertiefen sich die Notenkenntnisse und nach Fertigstellung kann man die Stücke dann vom Computer oder Handy abspielen lassen. Dadurch habe ich zum Üben eigentlich den ganzen Posaunenchor – mit einigen Abstrichen bei der Soundqualität – immer bei mir. Insgesamt komme ich so ungefähr auf zehn bis vierzehn Stunden in der Woche – nur für dieses Instrument.

R.: Im Posaunenchor Kirchhain spielen aktuell größtenteils Trompeten und Posaunen, in der Vergangenheit jedoch auch Holzblasinstrumente wie Querflöte oder Fagott. Dein Instrument ist ebenfalls ein Holzblasinstrument und zählt daher nicht zur herkömmlichen Besetzung eines Posaunenchores. Ist die Bezeichnung „Posaunenchor“ noch zeitgemäß?

W.S.: Nachdem die traditionelle Besetzung erweitert worden ist – und das nicht erst durch mich und mein Saxophon –, sollte man auch über die Beschreibung der Gruppe in Form ihres Namens nachdenken. Traditionen sind gut und wichtig, symbolisieren sie doch Kontinuität und Sicherheit. Ein allzu starres Festhalten an Traditionen birgt aber auch die Gefahr, dass irgendwann die Tradition noch existiert, aber kaum jemand oder niemand mehr, der sie zu schätzen weiß. Zeiten und damit auch Sichtweisen verändern sich. Um diese Gefahr zu minimieren, sollte man den Mut haben, frische Ideen von jungen Menschen zu berücksichtigen und zu versuchen, diese vorsichtig umzusetzen – natürlich ohne diejenigen zu vergessen, die sich mit traditionellen Formen wohlfühlen und sich nicht so leicht an Neues gewöhnen können. In Videos von Gottesdiensten sieht man immer öfter, dass Chöre zusammen mit Bands aus Schlagzeug, Bassgitarre, E- oder Akustikgitarre, Keyboard, Bläsern und der Kirchenorgel den Gesang der Gemeinde begleiten. Der Wandel ist, wenn man den Videos glauben kann, in vielen Gemeinden schon angekommen und akzeptiert worden. Persönlich würde ich mich freuen, eine ähnliche Entwicklung auch in unserer Gemeinde begrüßen zu dürfen.